Wir dürfen das nicht vergessen!
Viele kamen zur Gedenkveranstaltung nach Büren am 06. Juli
Um 11 Uhr standen schon einige Gehörlose vor der ehemaligen Gehörlosenschule in Büren. Immer mehr kamen dazu. Zu Beginn der Gedenkveranstaltung in der Bürener Jesuitenkirche um 12 Uhr waren schon über 100 Personen gekommen.
Anlass dieser Gedenkveranstaltung war ein Gesetz, dass vor 90 Jahren in Deutschland beschlossen wurde.
Dieses Gesetz war der Grund für die Zwangssterilisation von Gehörlosen in Deutschland. Mit diesem Gesetz kam sehr großes Leid über die betroffenen Menschen. Damit wir das heute – 90 Jahre später – nicht vergessen, hat Elisabeth Brockmann aus Paderborn zusammen mit ihrem Arbeitskreis zu dieser Veranstaltung eingeladen.
Zum Arbeitskreis gehören u.a. Siegfried Hartmann, Thore Willers. Unterstützt wurde die Veranstaltung von Monika Schrader-Brewermeier (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Paderborn e.V.), Domkapitular Theodor Ahrens (kath. Gehörlosenseelsorge) und Pfarrer Christian Schröder (Gehörlosenseelsorge i.d. Evangelischen Kirche von Westfalen).
Zuerst begrüßte Theodor Ahrens die Anwesenden und gab eine Einleitung zum Thema.
Dann wurden drei Grußworte überbracht. Zuerst vom stellvertretenden Landrat des Kreises Paderborn: Jörg Schlüter. Es folgte der Bürgermeister der Stadt Büren: Burkhard Schwuchow. Das dritte Grußwort kam vom Superintendenten des ev. Kirchenkreises Paderborn: Volker Neuhoff.
Nach den Grußworten gab es eine Überleitung von Pfarrer Christian Schröder zu dem Vortrag von Dr. Jens Gründler. Dr. Gründler erklärte zum Beispiel, wie das Gesetz damals entstand und welche Folgen es für gehörlose Menschen hatte. (der Vortrag kann heruntergeladen werden, siehe unten)
Nach einer Aussprache zum Vortrag wurde die Veranstaltung mit Gebet, Vaterunser und Segen beendet. Alle Beiträge wurden von Gebärdensprachdolmetscherinnen übersetzt.
Um 14 Uhr waren dann alle zum Austausch und Kaffeetrinken in das nahegelegene Pfarrheim eingeladen. Am Ende des Kaffeetrinkens bedankten sich Elisabeth Brockmann und Siegfried Hartmann bei den Anwesenden und allen, die dazu beigetragen hatten, dass diese Gedenkveranstaltung durchgeführt werden konnte.
Eine Besucherin aus Iserlohn, Ria Heinemann, erzählte noch von ihren eigenen Erfahrungen, denn ihr verstorbener Mann war von Zwangssterilisation betroffen.
Text: C. Schröder, Fotos: C. Schröder
INFO zur Zwangssterilisation von Gehörlosen
Ab 1934 gab es das Sterilisationsgesetz („Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“). Damit konnten die Nazis alle Menschen sterilisieren, die aus ihrer Sicht schlecht für „das Volk“ waren. Dazu gehörten zwischen 1934 und 1945 auch ca. 15.000 gehörlose Menschen, die zum Teil als Kinder/Jugendliche zwangssterilisiert wurden. Dies geschah ohne Einwilligung der Personen. Bei Kindern unter 10 Jahren wurde die Zwangssterilisation noch nicht durchgeführt. Zwischen 10 und 14 Jahren mussten die Eltern zustimmen. Ab 14 Jahren wurden die Jugendlichen auch gegen den eigenen Willen und gegen den Willen der Eltern zwangssterilisiert. Der größte Teil von ihnen wurde zwischen 1934 und 1940 sterilisiert.
Die allermeisten betroffenen Kinder und Jugendliche wurden vor 1925 geboren.
Darum sind heute (2024) fast alle von ihnen verstorben.
Die betroffenen gehörlosen Menschen haben sehr großes Leid erleben müssen.
Durch den Zwang wurden viele traumatisiert. Sehr viele haben sehr darunter gelitten keine eigene Familie gründen zu können.
Wir dürfen das nicht vergessen!